Vor 250 Schülern auf dem Podium im Forum Süd (von links): Helmut Wiegers (AfD), Alexander Quade (Piraten), Klemens Kowalski (Linke), Patrick Meyer (FDP), Jürgen Werner (BBG/FWG), Michael Lemke (Grüne), Alexander Krause (CDU) und Gerrit Steffens (SPD), daneben Moderator Björn Vasel vom TAGEBLATT und Niels Kohlhaase vom Stadtjugendring. Foto: Anping Richter
BUXTEHUDE. Im Fokus der Politiker standen am Donnerstag 250 Schüler des Gymnasiums Süd bei einer Podiumsdiskussion des Stadtjugendrings zur Kommunalwahl.
Viele von ihnen werden am 11. September zum ersten Mal an die Wahlurne gehen, und die Kandidaten für den Buxtehuder Rat wollen ihre Gunst gewinnen.
„Viele Wahlplakate, die wir zurzeit in Buxtehude sehen, machen dieselben oder ganz ähnliche Aussagen“, erläutert Niels Kohlhaase vom Stadtjugendring im voll besetzten Forum Süd. Die Podiumsdiskussion solle jungen Leuten aber die Möglichkeit geben, direkt bei den Kandidaten zu erfragen, für welche Inhalte sie stehen und diese besser gegeneinander abgrenzen können.
Diesmal treten zur Kommunalwahl acht Parteien an, von denen alle Chancen haben, in den Rat zu kommen – und alle haben einen Kandidaten geschickt. Angesichts der vielen Redner muss TAGEBLATT-Redakteur Björn Vasel allerdings für Disziplin bei der Einhaltung von Redezeiten sorgen. Bei Übertretung droht er mit der Trillerpfeife. Eine Minute gibt er, um sich vorzustellen, eineinhalb, um den Satz zu vervollständigen: „Ein 17-Jähriger sollte mich wählen, weil...“
Mit 29 Jahren, sagt der Buxtehuder CDU-Vorsitzende Alexander Krause, sei er noch recht nah dran an dem, was Jungwähler beschäftigt. Er verweist aber auch auf die Erfahrungen, die er mit der Organisation der Ausbildungsmesse der Jungen Union gesammelt hat und auf seine Tätigkeit als Ratmitglied.
Der 20-jährige Gerrit Steffens (SPD) hat nach der letzten Kommunalwahl beschlossen, politisch aktiv zu werden: „Weil ich gemerkt habe, dass Lokalpolitik nicht aus alten Herren bestehen darf, die alles hinter verschlossenen Türen ausklüngeln.“ Er wolle Ansprechpartner für Jugendliche sein, zumal für diese aus seiner Sicht „derzeit keine Möglichkeit besteht, Politik in dieser Stadt mitzugestalten“.
Sein Alter führt der grüne Fraktionsvorsitzende Michael Lemke nicht an – aber, dass er eine Tochter am Gymnasium Süd und eine hat, die gerade Abitur gemacht hat. Die Grünen ständen für „eine attraktive, moderne, zukunftsgerechte Stadt“ und dafür, nachfolgenden Generationen nicht zu viele Schulden zu hinterlassen.
Seine Gruppe sei keine Partei, sagt Jürgen Werner (BBG/FWG). Sie kümmere sich nicht um Bundespolitik, sondern setzte sich speziell für die Belange vor Ort in Buxtehude ein, wobei Schule ein wichtiger Faktor sei.
Der 27-jährige Patrick Meyer (FDP) kritisiert das aktuelle Sportstättenkonzept: 60 000 Euro für Erkenntnisse, die durch Nachfragen bei Übungsleitern leicht zu bekommen gewesen wären. Beruflich als Controller in der Luftfahrtbranche tätig, will er „den Daumen auf solche unnötigen Kosten halten“.
Klemens Kowalski (Linke), sagt den Jugendlichen, weshalb sie ihn wählen sollen: „Weil wir die einzige Partei im Rat sind, die immer wieder Anträge dazu stellt, Bürgerbeteiligung zu stärken – und weil ihr, wenn ihr eine eigene Wohnung braucht, in Buxtehude keine günstige finden werdet, weil alle anderen Parteien geschlafen haben.“
Alexander Quade (Piraten), nennt ganz knapp zwei politische Ziele, für die er steht: „Freies WLAN und eine Fahrt nach Hamburg für 5,20 Euro.“ Das bringt ihm spontanen lautstarken Applaus des Publikums ein.
Helmut Wiegers (AfD) wettert gegen den Schuldenberg, den die Buxtehuder Politik in den letzten Jahren aufgehäuft hat: „Das werden sie bezahlen müssen.“ Künftig dürfe nicht mehr auf Pump gelebt werden.
Klemens Kowalski dagegen sieht Schulden nicht grundsätzlich als Problem: „Wenn sie eine Investition in die Zukunft sind.“ Dazu gehöre eine Top-Ausstattung des naturwissenschaftlichen Bereichs an Schulen: „Damit viele von Euch Ingenieure werden, gutes Geld verdienen und davon schön viele Steuern zahlen.“ Buxtehudes Schulen besser ausstatten wollen eigentlich alle auf dem Podium. Michael Lemke sieht allerdings auch die Schulden und schlägt deshalb vor, dafür auf die Museumserweiterung zu verzichten.
Freies WLAN in Buxtehude: Dieses Thema wollen auch die Schüler nicht loslassen und wollen wissen, wann, wo und wie es kommt. Alexander Quade präsentiert die kostengünstige Freifunk-Lösung, bei der private Router vernetzt werden – diesen Vorschlag hätten auch die Grünen unterstützt. Alexander Krause verweist darauf, dass die CDU den überhaupt ersten Antrag zu freiem WLAN gestellt habe. Dass es noch immer nicht da sei, liege daran, dass der politische Wille im Rat zwar da sei, aber nicht in der Verwaltung, ergänzt der Linke Klemens Kowalski – und bleibt unwidersprochen. Ein Schüler knüpft an Quades Bahnticket-Äußerung an und fordert die Abschaffung des doppelten Ringsystems im HVV bis Buxtehude. Auf dem Podium halten das alle für wünschenswert – aber für die Umsetzung müssten sich Niedersachsen und die Stadt Hamburg einigen, sie könnten sich nur dafür einsetzen.
Auch nach Umweltschutz fragen die Schüler. Die Fördermittelbeschaffung für die neue Buxtehuder Klimaschutzmanagerin schreibt Alexander Krause daraufhin der CDU auf die Fahnen. Lemke fordert eine noch bessere Ausstattung für diese und will außerdem ein Naturschutzgebiet im Estetal. Patrick Meyer schimpft über die von Buxtehude „in den Wind geblasenen“ 40 000 Euro Abwrackprämie für alte Elektrogeräte.
Im Kreuzfeuer steht schließlich AfD-Mann Helmut Wiegers. Björn Vasel fordert ihn auf, Stellung zu den einzigen Forderungen der AfD zu nehmen, die Schulpolitik betreffen: Das Rückgängigmachen der Inklusion und das Ablehnen der Beschulung von Flüchtlingen in regulären Schulklassen. Beides gelte nur, schränkt Wiegers ein, „wenn es nicht verträglich sei und die Schulen überfordere“ – und das passiere in beiden Fällen oft. Wie sich herausstellt, hat er von den Buxtehuder Sprachförderklassen offenbar keine Kenntnis. Eine Schülerin will wissen, wie der Slogan „Abgelehnte Asylbewerber endlich abschieben“ gemeint sei. Wiegers sagt, Leistungen würden auch nach abgelehntem Asylantrag gezahlt und beträfen deshalb alle Steuerzahler – das bemängele ja auch Hannelore Kraft von der SPD. Aber nicht die SPD, betont Gerrit Meyer. Ein Schüler fragt, weshalb die AfD die Wiedereinführung der Wehrpflicht fordert. Wiegers verweist auf eine „größere Bedrohungslage“.
Was offenbar nicht droht, ist eine geringe Wahlbeteiligung der Schüler im Forum. Eine Stichprobe mit Handheben zeigt zum Schluss der Veranstaltung: Etwa 90 Prozent wollen am 11. September wählen gehen.
www.tageblatt.de 19.08.2016 Anping Richter