Mit Gästen aus Israel Shakshuka kochen

Zum Frühstück gibt’s Shakshuka, serviert vom israelisch-deutschen Küchenteam: (v.l.) Anna Bundt, Patrick Fischbach, Achim Biesenbach, Frank-Christian Harder, Zohar Weissman, Josefine Klein, Niels Kohlhaase und Tali Goldstein Orgil - Foto: Anping Richter
Zum Frühstück gibt’s Shakshuka, serviert vom israelisch-deutschen Küchenteam: (v.l.) Anna Bundt, Patrick Fischbach, Achim Biesenbach, Frank-Christian Harder, Zohar Weissman, Josefine Klein, Niels Kohlhaase und Tali Goldstein Orgil - Foto: Anping Richter

BUXTEHUDE. Die Küche im Jugendgästehaus ist jetzt koscher. Dafür haben die Israelis gesorgt, die im Rahmen eines Austauschs mit dem Stadtjugendring dort abgestiegen sind. Hier berichten sie, wie für den Sabbat gekocht wird und wie sie ihren Besuch in Buxtehude erleben.

 

Tomaten, Paprika, Eier und viel, viel Knoblauch: Das sind die Zutaten, die einen appetitlichen Duft durch das Freizeithaus am Geschwister-Scholl-Platz wehen lassen. Einst wurde das Gebäude als Hitlerjugendheim errichtet. Heute werkeln dort zwei Israelinnen und sechs Deutsche gemeinsam in der Küche. Am Ende servieren sie ein Frühstück, das mehrere kulinarische Grenzen überwindet: Zum „Shakshuka“, den versunkenen Eiern in pikanter Tomatensoße, gibt es – auf Wunsch der Gäste aus Israel – Weißwurst und Brezeln. Sie zeigen sich erstaunt, als die Gastgeber wissen lassen: „In Norddeutschland essen wir so etwas eigentlich gar nicht.“

 

Seit Sonntag sind zehn Leiter öffentlicher Gemeinschaftszentren in Israel zu einem Austausch mit Mitarbeitern des Stadtjugendrings (SJR) in Buxtehude zu Gast. Wie berichtet, hat der SJR das Austauschprogramm mit einer Partnerorganisation in Israel schon 2014 auf die Beine gestellt. Mittlerweile ist dies schon der zweite Mitarbeiteraustausch, dazwischen lagen zwei gegenseitige Besuche von Jugendgruppen.

Die deutschen und israelischen Teilnehmer des Austauschs beim Besuch der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Bergen-Belsen: Vor dem jüdischen Mahnmal haben sie gemeinsam eine Gedenkzeremonie abgehalten.
Die deutschen und israelischen Teilnehmer des Austauschs beim Besuch der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Bergen-Belsen: Vor dem jüdischen Mahnmal haben sie gemeinsam eine Gedenkzeremonie abgehalten.

Jetzt wird der Austausch auf israelischer Seite auf eine breitere Basis gestellt – von der lokalen auf die nationale Ebene. Statt einer örtlichen Organisation sind nun zehn in ganz Israel dabei. Aus jeder von ihnen ist ein Mitarbeiter nach Buxtehude gekommen, um sich mit Kollegen vom Stadtjugendring, der Dachorganisation der Vereine und Gruppen der Buxtehuder Jugendarbeit, auszutauschen. Dabei geht es in Workshops ebenso um fachliche Themen in der Jugendarbeit wie um die Frage, wie ein zeitgemäßes Holocaust-Gedenken für Deutsche und Israelis aussehen sollte. Denn neben Sightseeing in Hamburg und einer Kanutour auf der Este stand bei dem einwöchigen Besuch auch eine Fahrt in die Gedenkstätte Bergen-Belsen an.

 

Die deutschen und israelischen Austauschteilnehmer haben dafür eine Gedenkzeremonie mit Gedichten, Liedern und Gebeten ausgearbeitet. „Wir hatten auch eine beeindruckende Führung mit einer Mitarbeiterin der Gedenkstätte, die sehr sensibel und anschaulich gestaltet wurde“, berichtet Smadar Dromy. Mit ihrem Kollegen David Zur ist sie sich einig: „Das Gedenken an den Holocaust lebendig zu halten, ist sehr wichtig, ebenso der Kontakt von Mensch zu Mensch durch solch einen Austausch.“

 

Wie David Zur berichtet, ist die Entscheidung zu einer Reise nach Deutschland für ihn keine selbstverständliche gewesen: Sein Vater kam aus Rostock, konnte 1939 aus Deutschland fliehen und lernte später in Israel seine Mutter kennen, die aus Polen stammte und ebenfalls dem Holocaust entkommen war.

Jugendarbeit hautnah - das konnte die israelische Delegation bei verschiedenen Stationen wie hier im Kinderforum in der Sagekuhle erleben.
Jugendarbeit hautnah - das konnte die israelische Delegation bei verschiedenen Stationen wie hier im Kinderforum in der Sagekuhle erleben.

Den Spuren jüdischen Lebens gefolgt

 

Auch in Buxtehude sind die Austauschteilnehmer den Spuren jüdischen Lebens in Deutschland gefolgt. Sie haben den alten jüdischen Friedhof im Neukloster Forst an der B73 besucht und dort Andacht gehalten. Wie es Brauch ist, hat jeder auf einer der Grabstellen einen Stein hinterlassen. „Wir hatten nur einen kurzen Halt eingeplant, aber am Ende haben wir auf dem kleinen Friedhof eine ganze Stunde verbracht“, berichtet Achim Biesenbach vom Stadtjugendring, der den Austausch von Anfang an mitgemacht hat.

 

Überhaupt musste vieles spontan umgeplant werden, berichtet Biesenbach. So hatten die Organisatoren nicht damit gerechnet, dass einige der israelischen Teilnehmer sogar schweinerne Weißwurst, andere aber nur koscher essen. Die Lösung waren zwei Küchen: Eine im Freizeithaus, eine im Jugendgästehaus am Jahn-Stadion.

 

Letztere haben die Israelis gleich nach ihrer Ankunft durch das Erhitzen des Ofens auf sehr hohe Temperatur und das Mitbringen eigener Pfannen und Messer koscher gemacht: Die jüdische Speisevorschrift verlangt, dass Speisen, die Fleisch und solche, die Milch enthalten, in verschiedenen Räumen und mit verschiedenem Geschirr zubereitet werden. So konnten sie für den Sabbat vorkochen, denn von Sonnenuntergang am Freitagabend bis zum Sonnenuntergang am Sonnabend ist das nicht erlaubt. Ebenso wenig wie Autofahren, aber das war auch nicht nötig: Feiern ist am Sabbat völlig in Ordnung, und die Party zum Auftakt des Schützenfests Altkloster stieg direkt vor der Haustür.

 

www.tageblatt.de  04.08.2018 - von Anping Richter