(Frankfurt/Buxtehude) Seit dem 7. Oktober 2023 befindet sich Israel im Kriegszustand. Daher ist es um so bemerkenswerter, dass der diesjährige Jugendaustausch zwischen Buxtehude und Netanya dennoch stattfinden konnte. Ein Besuch der Buxtehuder Gruppe in Israel war aufgrund der offiziellen Reisewarnung nicht möglich, allerdings konnten die israelischen Jugendlichen die Reise nach Deutschland antreten.
Normalerweise besuchen sich die Jugendlichen gegenseitig in den Familien, stattdessen gab es dieses Jahr eine gemeinsame Unterbringung im Hostel. Die Auswahl für den Begegnungsort fiel nicht zufällig auf die Stadt mit dem größten Flughafen des Landes: Frankfurt hat eine reichhaltige jüdische Geschichte und auch heute wieder ein buntes Gemeindeleben in der Synagoge. Auch für Sightseeing und gesellige Programmpunkte bietet Frankfurt ausreichend Angebote wie das Social Media Museum SweetPics oder die Aussicht über die Stadt auf dem MainTower.
Den Rahmen des einwöchigen Programms bildete jüdisches Leben, angefangen von der mittelalterlichen Judengasse, dem Juden-Ghetto in Frankfurt bis 1792, das teilweise restauriert und heute wieder begehbar ist. Nach Ende der Judengasse verteilten sich jüdische Mitbürger über die ganze Stadt und bildeten die größte jüdische Gemeinde in Deutschland – bis die Nationalsozialisten jüdischem Leben ein Ende bereiteten. Die Großmarkthalle diente dem NS-Regime als Deportationsstelle für 12.000 jüdische Menschen und ist heute eine Gedenkstätte auf dem Gelände der Europäischen Zentralbank. Nach der Führung durch die Großmarkthalle gedachte die Austauschgruppe bei einer selbst vorbereiteten Zeremonie den Opfern des Holocaust.
Beim Besuch der Westend-Synagoge zum Sabbat-Beginn zeigte sich, dass jüdisches Leben heute wieder stattfindet: 7000 jüdische Mitglieder hat die Frankfurter Gemeinde inzwischen wieder, ein wesentlicher Teil davon zog aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Im Gespräch mit jungen Gemeindemitgliedern zeigte sich, dass jüdisches Leben sich auf vielfältige Art und Weise vom Leben in Israel unterscheidet: Kosheres Essen ist in Frankfurt erhältlich, im übrigen Deutschland sonst kaum zu bekommen, in Israel aber eine Selbstverständlichkeit. Klimaanlagen gibt es in Deutschland wenig, dafür ist der ÖPNV viel besser ausgebaut. Tragen von jüdischen Symbolen ist in Deutschland gefährlich, in Israel nicht. Sicherheit bezieht sich auf einen selbst oder das persönliche Umfeld anstatt auf das gesamte Land. Überlegungen, die für die jungen Buxtehuder eine gänzlich neue Erfahrung darstellten.
Auch während des Programms war die Sicherheitslage ein allgegenwärtiges Thema: Als die Gruppe in Frankfurt ankam, war gerade erst eine Gruppe Jugendlicher im Norden Israels bei einem Raketenangriff ums Leben gekommen. Am zweiten Tag gelang die Liquidierung von hochrangigen Terroristen von Hamas und Hisbollah, am Tag darauf bereitete sich Israel auf einen Gegenangriff vor. In der Folge stornierten amerikanische und deutsche Airlines alle Flüge nach Tel Aviv und die Rückreise war plötzlich gefährdet.
Wegen oder trotz der ungewöhnlichen Situation war der diesjährige Jugendaustausch eine Bereicherung und einmalige Erfahrung für die Teilnehmenden. Highlights der Jugendlichen waren das Erlebnisbad Miramar, eines der größten Rutschen-Schwimmbäder Deutschlands, und die Wanderung durch den Wald zum Goetheturm, wobei der Wald die eigentliche Attraktion war. Nach der deutsch-israelischen Woche in Frankfurt bleiben neue Freundschaften, schöne Erinnerungen an eine deutsch-israelische Woche in Frankfurt und ein paar Brocken der anderen Sprache Dank der morgendlichen deutsch-hebräischen Sprachspiele.
Bereits seit zehn Jahren engagiert sich der Buxtehuder Jugendring im Austausch mit Israel. Aus dem Jugendaustausch ist die Buxtehuder Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft hervorgegangen, die sich insbesondere als Ehemaligen-Netzwerk versteht. Partner in Israel ist das Community Center East Netanya (Matnasgan). Gefördert wird die Jugendbegegnung von ConAct, dem Koordinierungszentrum für den Deutsch-Israelischen Jugendaustausch, sowie von den lokalen Jugendpflegen.