Mehr als 100 Menschen haben am Sonnabend in Buxtehude ein Zeichen für Demokratie und Freiheit gesetzt. Sie hoffen auf Frieden - nicht nur in Israel.
Buxtehude. Teilnehmer hielten Israel- und Deutschland-Flaggen vor dem Hase-und-Igel-Brunnen in Buxtehude in ihren Händen. Knapp 150 Menschen waren dem Aufruf des Stadtjugendrings (SJR) gefolgt - unterstützt von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen sowie Kirchen und Deutsch-Israelischer Gesellschaft.
Kritik an zunehmendem Antisemitismus
„Dass Menschen jüdischen Glaubens und Herkunft sich erneut fragen müssen, ob sie hier in Deutschland sicher sind, ist eine Schande und eine Gefahr für uns alle“, sagte der zweite Vorsitzende des SJR, Niels Kohlhaase.
Dass Hamas-Unterstützer auf Demonstrationen die feigen Taten der Terroristen bejubelt und „Tod den Juden skandiert“ haben, sei erschreckend. Antisemitische Intoleranz dürfe nicht folgenlos bleiben. Der Rias-Meldestelle seien seit dem 7. Oktober 2023 bundesweit 4700 antisemitische Vorfälle gemeldet worden - mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Antisemitismus gehe nicht nur von Rechts- und Linksextremisten sowie Islamisten aus.
Der SJR-Vorsitzende Achim Biesenbach erinnerte am Vortag des Gedenktags an den Schwarzen Sabbat, den Terrorangriff der Hamas. 1139 Menschen starben, 260 wurden als Geisel nach Gaza verschleppt.
Er berichtete von einem Telefonat mit seinem Freund Nitzan. Dieser sage: „Israel habe genug erreicht und eine schnelle Lösung zur Befreiung der Geiseln sei die beste.“
Buxtehude setzt auf Städtepartnerschaft mit Netanja
Biesenbach verwies auf den seit zehn Jahren bestehenden Austausch. Vor dem Terrorangriff der Hamas besuchten sich Jugendliche aus Netanja bei Tel Aviv und Buxtehude gegenseitig. In diesem Jahr stand der Austausch im Schatten des 7. Oktober. Die Jugendlichen trafen sich in Frankfurt. Die Treffen stärkten die deutsch-israelische Freundschaft.
CDU-Ratsherr Kohlhaase, begrüßte, dass der Buxtehuder Rat sich nach der Solidaritätskundgebung vor einem Jahr für eine Städtepartnerschaft ausgesprochen habe - auf Antrag von CDU, SPD, Grünen und FDP. Gespräche mit Netanja laufen. Diese Partnerschaft sei „ein starkes Zeichen der Solidarität gegenüber den Bürgern des Staates Israel“.
Solidarität bedeutete allerdings nicht, Unrecht zu verschweigen. Biesenbach kritisierte in seiner Rede ausdrücklich, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sich mit zwei rechtsextremen Parteien an der Macht hält und dass diese Regierung nichts gegen die Landnahme und Gewalttaten durch ultraorthodoxe Siedler im Westjordanland unternehme.
Biesenbach: „Er untergräbt die Glaubwürdigkeit des Landes. Im Interesse der israelischen Demokratie wird es Zeit für Bibis Ruhestand.“
Zeichen gegen Antisemitismus, für Freiheit und Demokratie
Auch Joachim Fuchs, Lehrer an der Gesamtschule in Buxtehude, ergriff das Wort: „Heute stehen wir hier zusammen, um ein starkes Zeichen zu setzen - gegen Judenhass und Antisemitismus, für Freiheit und Demokratie.“ Dass Kinder jüdische Schulen lediglich unter Polizeischutz besuchen können, mache ihn nach wie vor sprachlos.
Das sei unerträglich, sagte Fuchs, der für die Grünen in den Bundestag einziehen will. Jeder Mensch in Deutschland müsse angstfrei leben können - unabhängig von Religion, Herkunft und Kultur.
Der Angriff der Hamas auf Israel war ein „schreckliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Fuchs. Es sei auch, waren sich Fuchs und Kohlhaase einig, ein Angriff auf die Werte demokratischer Gesellschaften gewesen: Freiheit, Sicherheit und das Recht auf ein Leben in Frieden. Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Und: Es sei die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten.
Fuchs warnt vor weiterer Eskalation im Nahen Osten
Der brutale Angriff der Hamas sei letztlich auch ein Angriff auf die Friedensbemühungen und die Menschen im gesamten Nahen Osten gewesen, so Fuchs mit Blick auf das humanitäre Leid in Israel, im Gaza und im Libanon. Er warnte vor einer weiteren Eskalation.
Kritisch sehe er, wie der Krieg nach Deutschland getragen werde. Social Media werde mit antisemitischen Narrativen „gezielt als Waffe eingesetzt, um Fake-News und Kriegspropaganda zu verbreiten“. Er mahnte mehr Medienbildung an Schulen an.
Sich für das Existenzrecht Israels einzusetzen, bedeute allerdings nicht, das Leid der Palästinenser zu ignorieren. Er zitierte Außenministerin Baerbock: „Ohne Anerkennung des Leids des anderen kann das eigene Leid niemals enden.“
Antisemitismus bedroht auch die Demokratie
Jeder könne und sollte sich im eigenen Umfeld dafür einsetzen, dass niemand in Angst leben müsse. Fuchs: „Demokratie bedeutet, dass wir füreinander einstehen - im Kleinen und im Großen.“ Es bedeute, dass „wir uns gegen Hass, Intoleranz und Gewalt stellen, egal wo sie auftreten“.
Der Schutz jüdischen Lebens in Deutschland sei der Lackmustest für das Fortbestehen der Demokratie, für den funktionierenden Schutz von Minderheiten. Kohlhaase lenkte den Blick in der Schlussrede noch einmal auf die Außenpolitik: „Die Sicherheit und die Stabilität Israels müssen deutsche Staatsräson bleiben.“
Erschienen am 28. Oktober 2024 im Buxtehuder Tageblatt. Vielen Dank, lieber Björn Vasel, für die Erlaubnis der Wiedergabe an dieser Stelle.